Aconcagua, Polnischer Gletscher, Summit

Aconcagua (6.960m) – über die Polnische Direktroute – den Gletscher

Im Frühjahr 2022 brauchte ich ein neues Ziel, nachdem wir unseren 2. Versuch am Chimborazo in Ecuador gesundheitsbedingt erneut verschieben mussten. Gleichzeitig war auch klar, dass für mein Bruder familienbedingt eine Pause angesagt war und damit kam ich auf ganz neue Ideen.

Ich würde etwas Neues probieren – etwas, das meinem Bruder im ersten Moment nicht zugesagt hat –  und so hab ich mich super spontan entschieden, mit der sogenannten «Flash-Version» auf den Aconcagua über die einsame und anspruchsvolle Direktroute – über den Polengletscher zu klettern.

Ich hatte es noch am selben Abend so eilig mit buchen, dass ich mir nicht mal Gedanken gemacht hab, was das für eine Route ist… dass diese Route nichts mit der Normalroute zu tun hat und ich damit wieder einmal in einem echten Abenteuer gelandet bin, fand ich erst so richtig toll, als es vorbei war.

Der Aconcagua ist der höchste Berg der Erde außerhalb von Asien, einer der 7 Summits und liegt in Argentinien, in den Anden zwischen Mendoza und Santiago de Chile, ist 6960m hoch, ist ein extrem staubiger Steinhaufen mit extremen Temperaturunterschieden und hat eine sehr gute Logistik am Berg, so dass man kein Vollprofi sein muss, um mitmachen zu können.

 

 

Die «Flash-Version» wird von Furtenbacher Adventures aus Innsbruck angeboten und bedeutet, dass man die Akklimatisierung zu Hause in einem Hypoxie Zelt macht und für den Aufstieg nur 9 Tage, anstelle von bis zu 21 Tagen braucht. Das hat viele Vorteile. Neben der Zeitersparnis spart man sich auch einige kräfteraubenden Rotationen und verringert das Risiko von Erkältungen und Krankheiten, die ebenfalls viel Kraft rauben können. An einem Berg, bei dem die Erfolgsrate bei angeblich bei unter 50% liegt, wollte ich jeden Vorteil auf meine Seite holen und gleichzeitig neue Dinge lernen – wie eben das mit dem Hypoxie-Zelt und klettern an Fixseilen in großer Höhe.

 

Die Vorbereitung

Beim Training muss jeder für sich entscheiden, wie viel für ihn richtig und wichtig ist. Da ich Zeit hatte und motiviert war, habe ich jede Gelegenheit genutzt, Höhenmeter in die Beine zu bekommen. Entweder mit leichten Bergläufen von bis zu 25km oder im Fitnessstudio auf dem Stairmaster. Es ging beim Training vor allem um Ausdauer – nicht um Geschwindigkeit.

Zum Glück hatten wir einen schönen Sommer und so habe ich über 60.000 Höhenmeter aufwärts (runter ging es meistens mit der Seilbahn) auf ca. 600 km Strecke und über 300.000 Stufen auf dem Stairmaster in den letzten 180 Tagen vor der Abreise hinbekommen.  Natürlich habe ich eine ganze Reihe anderer Geräte und Übungen gemacht… aber das kennt eh jeder, der für irgendwas trainiert. Am Berg fand ich, dass es gerade so ausreichend war… viel weniger hätte nicht sein müssen!

Einen Monat vor der Abreise bekommt man das Hypoxie-Zelt zugestellt, das ich im Wohnzimmer aufgebaut hab. Man bekommt eine klare und einfache Anleitung mit Infos zum Durchlesen und wird vom Team von Furtenbacher Adventures durch das Prozedere geleitet. Grundsätzlich ist es sehr einfach – nur eben gewöhnungsbedürftig.

Man schaltet das Ding ein und legt sich einige Zeit danach in das Zelt und versucht zu schlafen. So weit so gut – nur dieser Kompressor ist laut. Ich konnte damit umgehen, indem ich Ohrstöpsel in meine Ohren steckte aber der Rest der Familie hatte keine Freude damit. Und so bin ich umgezogen – ins Schlafzimmer und meine Frau aufs Sofa…. Im Schlafzimmer konnte ich den Kompressor ins Bad stellen – so hatte ich 1 Türe dazwischen und meine Familie 2 Türen. Danke Schatz, für Deine Geduld 🙂

 

Man sollte mindestens 200 Stunden in dem Zelt verbringen und mindestens 7 Stunden pro Nacht darin schlafen. Die ersten Nächte sind noch gewöhnungsbedürftig, aber ich habe recht gut geschlafen. Die simulierte Höhe wird langsam gesteigert und ist damit anfangs nicht belastend. Wichtig ist, dass es im Zimmer echt kalt ist – sonst wird es im Zelt schnell stickig – ich hatte also ein Fenster immer ganz offen – auch wenn es im Zimmer richtig kalt  wurde. Wenn ich vergessen hab, das Fenster aufzumachen, bin ich 3 – 4 Stunden wegen der warmen und stickigen Luft aufgewacht. Weil die Luft warm und mit viel weniger Sauerstoff gesättigt war, fühlte es sich an, als würde man langsam ersticken – man hat auch gleich Kopfschmerzen und kann kaum mehr schlafen. Für mich unvorstellbar, wie man so ein Prozedere im Sommer durchstehen kann… zum Glück war es im November in den Nächten immer recht kühl.

Sie simulierte Höhe wurde laufend gesteigert und ich musste jeden Abend und jeden Morgen einige Daten, wie Puls, Sauerstoffsättigung, Schlafqualität, etc. in eine Liste eintragen. Basierend auf den Daten wurden Nächste auf bis zu 6000m simuliert. Bis zu 5000m war es recht einfach und ich konnte gut schlafen – die Nächte darüber waren schon etwas anstrengender und lange, weil ich oft aufgewacht bin und wenig Schlaf abbekommen hab.

Das Training habe ich in dem Monat auf Grundlagentraining reduziert. Man würde sich in der Nacht nicht mehr richtig erholen, wenn man härter trainieren würde – und man ist am Tag öfter müde, weil eben die Erholung in der Nacht fehlt. Insgesamt ist das Prozedere jedoch einfach und mit einer positiven Grundeinstellung und dem Ziel vor Augen ging der Monat schnell vorbei.

 

Ein weiterer wichtiger Teil ist die mentale Vorbereitung auf das Abenteuer. Die Zellen im Körper werden schon sehr früh vom Geist verlangen, umzukehren oder den Unsinn zu lassen. Man muss sich also mental gut darauf vorbereiten – dieser Teil ist mindestens genauso wichtig wie jeder andere Teil der Vorbereitung. Ich selbst hab praktisch bei jedem Training visualisiert – mich auf dem Gipfel gesehen und mir den Moment vorgestellt, an dem ich mein Ziel erreichen werde. Die starke emotionale Bindung ans Ziel, gibt einem viel Kraft, wenn man sie am meisten braucht – und glaub mir: man braucht da oben alles, was einem irgendwie hilfreich ist!

Der letzte Teil ist die Ausrüstung. Hier gibt es Listen vom Veranstalter und man muss sich einfach früh genug darum kümmern, alles zusammen zu haben. Man muss sich gut überlegen, was man wirklich braucht denn jedes Kilo zählt.  Meine größte Sorge war die Wahl der richtigen Handschuhe, die sowohl die extreme Kälte abhalten als auch das Hantieren mit der Ausrüstung ermöglichen – ich wollte einfach nur nicht an den Fingern frieren.

 

Wichtig sind also Handschuhe, in denen man Wärmepads unterbringen kann, damit die Finger schnell wieder warm werden, nachdem man sich z.B. im neuen Seil eingehängt hat. Man sollte hier auf keinen Fall sparen – ein guter Teil der Leute, die aufgeben, müssen das tun weil sie an den Handschuhen gespart haben – die Kälte kann brutal sein! Man trägt auch Seidenhandschuhe darunter damit die Haut niemals direkt mit Metall in Berührung kommt und auch nicht direkt der Luft ausgesetzt sind. In kürzester Zeit könnte man sich dabei Frostbeulen holen, was kein Spaß mehr ist.

Ich war also gut vorbereitet und bereit so gut ich auf etwas vorbereitet sein kann, wovon ich nur ein paar Videos im Internet gesehen hab.

Von Mendoza bis zur ersten Lektion

Über Sao Paulo bin ich nach Mendoza geflogen, wo ich von der Firma Grajales empfangen wurde und zu einem sehr schönen Hotel gebracht wurde wo ich das Team dann auch kennen gelernt habe. Mit dabei waren ein Arzt aus Österreich und ebenfalls ein Arzt aus Puerto Rico. Wie sich später noch herausstellen sollte, war unser Bergführer eine Legende in Argentinien. Nicht nur, dass er der Ausbildner der meisten Bergführer und Porter vor Ort war – er war auch schon mehrfach auf den 7-Summits und auf zahlreichen 8000er Expeditionen wie Everest, K2 und Manaslu.

Ich war schon erstaunt, dass wir so einen Rockstar zur Seite gestellt bekommen – zu der Zeit wusste ich allerdings immer noch nicht, auf was ich mich da eingelassen habe!

 

Am nächsten Tag ging es gegen Mittag los – per Bus wurden wir auf ca. 3000m in die Berge gefahren, wo wir noch unsere Sachen im Depot in Los Penitentes abladen konnten. In Las Cuevas, einige Kilometer weiter, wurden wir herzlich bedient und ich hatte sogar noch Zeit, um in der Umgebung noch 300 Höhenmeter in die Beine zu bringen, um mich noch besser zu akklimatisieren. Nach dem Abendessen ging es ins vorerst letzte normale Bett für die nächsten Tage.

Am 3. Tag ging es früh los. Mit dem Helikopter, der wegen der starken Winde meistens nur früh am Morgen und am Abend ab 17 Uhr fliegen kann, ging es ins Basislager. Dank der Flash-Version konnten wir uns damit schon 2 Tage Anreise und 42km Fußmarsch ins Basislager auf 4.200m ersparen. Puristen werden jetzt schon mit dem Kopf schütteln und ja – ich verstehe das auch – aber es lohnt sich nicht zu diskutieren. Es gibt eine Nachfrage danach und ein Angebot und ich nutze, was mir gefällt.

Im Basislager angekommen, lernte ich die erste Lektion: Wenn die Sonne nicht scheint, ist es kalt – sehr kalt!

Ich hatte nur eine dünne Jacke dabei, kühlte sofort ab fror bitterlich. Zum Glück konnten wir gleich in unseren Dom gehen, wo ich mich etwas aufwärmen konnte – eine Erkältung wäre jetzt nicht optimal gewesen.

Im Basislager – Plaza Argentina –  ging die Sonne um ca. 8 Uhr auf – womit es sofort angenehm warm wurde (wenn es nicht zu windig war). Auf der Normalroute bekommt man oft erst nach 10 Uhr Sonne – ein Faktor, der trivial klingt – jedoch einen gewaltigen Unterschied macht, wenn man im Zelt aufwacht und friert!

Plaza Argentina, Aconcagua

Plaza Argentina, Aconcagua

Mein Tipp: Wenn Du auch auf den Aconcagua möchtest – ob über den Gletscher oder den normalen Aufstieg – empfehle ich Dir als Basislager Plaza Argenitna zu wählen. Es ist auf der 360-Route. Die Sonne geht kurz nach 7 Uhr auf, womit es im Zelt gleich angenehm warm wird. In Plaza de Mulas friert man bis ca. 10 Uhr. Das mag als Kleinigkeit erscheinen, aber es sind die Kleinigkeiten, die darüber entscheiden, ob man dann oben auf den letzten Metern noch Saft in den Beinen hat, oder nicht. Bei einem Berg, an dem jeder 2. scheitert, lohnt es sich darauf zu achten!

 

Plaza Argentina, Aconcagua, Maultiere bringen alles bis ins Basislager

Plaza Argentina, Aconcagua, Maultiere bringen alles ins Basislager

 

Vorab muss ich auch noch sagen: Wir hatten immer Glück mit dem Wind. Bis auf einen kleinen Sturm in einem der Hochlager, war der Wind zwar immer präsent und teilweise recht stark, aber in einem gut erträglichen Bereich – was laut Erzählungen an diesem Berg nicht immer so ist.

Gleich mit der Ankunft wurden wir gleich mit einem ordentlichen Frühstück überrascht, das einem Frühstück in einem Top Hotel entsprach. Frische Kirschen und frisch zubereitete Köstlichkeiten, guter Kaffee und eine große Auswahl an Tee und allerhand Speisen – ich war wirklich überrascht, was hier alles geboten wurde! Unglaublich, was für ein Aufwand betrieben wird, um für das Wohl der Gäste zu sorgen. Das Basislager ist der Ort, wo der normale Bergsteiger, die meiste Zeit verbringt, weshalb es wichtig ist, für gute Stimmung zu sorgen – und gutes Essen sorgt immer für gute Stimmung.

Am Abend wurde uns auf dem Grill das beste Steak serviert, das ich jemals gegessen habe -und das meine ich wirklich so! Dazu gab es sogar eine Auswahl bester argentinischer Weine. Ein Angebot, von dem ich erst nach der Expedition Gebrauch machte. Ich wollte fit für den Berg sein und hab deshalb schon einige Monate auf Alkohol verzichtet  – aber ich war beeindruckt!

 

Wie jeden Tag, wurde am Abend exakt besprochen, was wir am nächsten Tag tun. Es stand der Aufstieg und Aufbau des 1. Lagers an. Wir mussten genau entscheiden, was wir mit ins erste Lager nehmen, was wir für den Tag der Rückkehr zurücklassen und was wir nach dem Sortieren schon wieder mit den Maultieren zurückschicken. Insgesamt kompliziert zum erklären – ich kann nur sagen, dass hinter so einer Expedition eine gewaltige Logistik steckt und man bis aufs letzte T-Shirt genau darauf schauen muss, was in welches Lager geht, im Basislager bleibt und genau darauf geschaut wird, wer was tragen muss. Alleine damit haben wir jeden Tag bis zu einer Stunde verbracht.

Jeder Teilnehmer bekommt einen eigenen Porter, der bis zum maximal 20kg Gepäck von Lager zu Lager trägt. Man muss keinen Träger buchen – es ist nur eine Option, auf die ich auf keinen Fall verzichten würde. Die Chancen, dass man den Gipfel erreicht, wenn man alles selbst trägt, sinken gewaltig, weil man einfach viel zu viel Energie verbraucht, um das ganze Material zu schleppen. Man muss bedenken, dass auch das Essen für mehrere Tage hinaufgetragen werden muss – und das auf bis zu 6000m – bei einem Kalorienbedarf der abartig ist – deshalb ist ein Porter sehr zu empfehlen.

 

Man lernt, sich genau zu organisieren und merkt schnell, dass man viel zu viel Zeug mitgenommen hat, das man aussortieren – und sofort mit den Maultieren wieder ins Depot zurückschickt, damit man beim Rückflug Gewicht im Helikopter spart – wie gesagt – die Logistik hinter so einer Expedition ist unglaublich und man muss bei der Ankunft schon wissen, was die Maultiere zurück tragen und was wieder mit dem Helikopter raus fliegen wird.

 

Die erste Nacht im Zelt im Basislager auf 4.200m war sehr angenehm und wie jeden Morgen kommt der Wake-Up Call im Basislager mit dem ersten Helikopter, der weitere Gäste und Material einfliegt um ca. 7 Uhr. Die Sonne kommt kurz danach – es wird sofort angenehm warm im Zelt und wieder wird man von einem Frühstück, das mit jedem 5 Sterne Hotel mithalten kann, überrascht. Gut gestärkt kann man so in den Tag starten.

Anschließend wird das Material für die Hochlager exakt verwogen und für die Porter bereit gemacht. Bei mir hatte noch etwas Material Platz, weil ich meine Ausrüstung auf ein Minimum reduzierte und somit konnte mein Porter noch etwas Material von unserem Bergführer mitnehmen, der seine Ausrüstung selbst tragen musste.

Der Aufstieg auf das erste Hochlager auf 5.000m dauerte gut 4 Stunden – ein wunderschöner Aufstieg über einen riesigen, mit Schotter überzogenen Gletscher und zwischen gigantischen Bergen in einer umwerfenden Landschaft.

Das Lager war schnell aufgebaut und dann begann etwas, an das ich mich erst gewöhnen musste. Das „Nichts-tun“ im Lager. Es gibt einfach rein gar nichts mehr zu tun – es gibt kein Internet und keinen Gemeinschaftsraum mehr – nur Menschen, die man gerade am Vortag kennen gelernt hat – die auch ihre Ruhe wollten. Der einzige Sinn besteht hier oben darin, auszuruhen und abzuwarten, bis sich der Körper akklimatisiert – sprich: rote Blutkörperchen produziert. Ein Vorgang der Tage dauert und den man nicht beschleunigen kann.

 

Die einzigen Anker sind die Mahlzeiten, zu denen man sich in einem kleinen Dom trifft. Am ersten Abend gab es „Risotto a la Camp Uno“. Unser Bergführer gab sich immer größte Mühe, uns zu unterhalten und wir hatten immer sehr viel Spaß mit ihm. Wegen der Höhe kocht Wasser schon bei weniger als 80 Grad – wenn man also Reis kochen wollte, dauerte das sehr viel länger als zu Hause – wie Nudeln schmecken, die 40 Minuten kochen müssen, werde ich in den nächsten Tagen erleben.

 

Wir verbrachten dann also die erste Nacht schon auf einer Höhe, wofür man auf dem normalen Weg mehr als eine Woche braucht, um sich zu akklimatisieren. Der Körper braucht seine Zeit und in der Nacht machte sich das bei einem Teilnehmer bemerkbar. Während ich recht gut schlafen konnte und nur leichte Kopfschmerzen hatte, ging es meinem Partner im Zelt plötzlich sehr schlecht. Er kommt nicht mehr aufstehen und bat mich, den Bergführer zu holen, um die Situation abzuklären. Es ging im sichtlich schlecht und der Zustand verschlimmerte sich recht schnell.

Man muss sich vorstellen, dass man beim Einschlafen immer flacher atmet und man dann alle paar Minuten fast erstickt. Man schnappt nach Luft, der Pulst steigt an und weil es keinen Sauerstoff gibt, entsteht ein Teufelskreis.

Der Plan, am nächsten Tag weiter aufzusteigen, war damit hinfällig.

Zur Option stand ein sofortiger Abstieg mitten in der Nacht oder der Einsatz von Sauerstoff. Weil ich aus verschiedenen Gründen – auf die ich hier gar nicht eingehen will – ein Sauerstoffpaket gebucht hatte und somit immer eine Flasche Sauerstoff verfügbar hatte, entschieden wir uns, dass er sofort diese Flasche Sauerstoff bekommen sollte, und wir am nächsten Morgen erst absteigen würden.

 

Puristen unter den Bergsteigern mögen lächeln, weil ich so eine Flasche herumschleppen lasse – diese Situation hat jedoch gezeigt, dass mit der Höhe nicht zu Spaßen ist und im Notfall lass ich mich lieber beim Nuckeln am Fläschchen auslachen, als dass ich leide und meine Gesundheit riskiere.  Mein Motto wie immer: besser haben als brauchen –  und in dem Fall hat das Team von meinem Motto profitieren können.

 

Am nächsten Morgen sind wir sofort wieder abgestiegen. Das Material konnten wir im Hochlager zurücklassen. Wir mussten nur den Schlafsack und die Matten ins Basislager mitnehmen, wo uns das ganze Team wieder herzlich empfangen hat. Unserem Teampartner ging es schnell wieder besser – auch weil wieder ein wunderbares Mittagessen und später ein tolles Abendessen auf uns gewartet hat.

Obwohl das Wetter an diesem Berg sehr dynamisch ist und nur schwer vorauszusagen ist, konnten wir ein Wetterfenster erahnen, das eine Planung der kommenden Tage ermöglichte. Nachdem es unserem Teammitglied besser ging, erstellten wir einen exakten Plan, so dass wir in 5 Tagen einen Summitpush wagen konnten.

Die Lektion, die ich hier lernte, war: Man darf die Höhe nicht unterschätzen und sie ist unberechenbar! Wenn man zu Hause am Sofa sitzt, ist leicht reden. Wenn man aber um Mitternacht aufwacht, Kopfschmerzen bekommt, nach Luft schnappt und einem zum kotzen übel wird, ist die Nacht lange… sehr lange!

 

Der Aufstieg

Nach dem erneuten Aufstieg ins 1. Hochlager, richteten wir wieder alles her, um am nächsten Tag ins 2. Hochlager aufzusteigen, alles Material abzuladen, und wieder ins 1. Hochlager abzusteigen. Solche Rotationen dienen der Akklimatisierung und helfen ungemein. Für mich war die Extrarunde ins Basislager auch gut – ich hatte keine Kopfschmerzen mehr, hatte immer ordentlich Appetit und fühlte mich immer sehr stark und gut.

Während der erste Aufstieg ins 1. Hochlager noch 4 Stunden dauerte, waren wir am nächsten Tag schon in 3 Stunden oben und das ganz locker! Es zeigt, wie hart der Körper arbeitet, um sich an die Höhe anzupassen. Der Energiebedarf für den Körper ist auch enorm – ab 5000m sollen es mehr als 7000 kcal  sein – obwohl man sich nur langsam bewegt.

2. Hochlager, Aconcagua

2. Hochlager, Aconcagua – im Hintergrund der Polen Gletscher der von hier noch klein und unscheinbar erscheint

 

Nach einer weiteren Nacht im 1. Hochlager zogen wir ins 2. Hochlager um. Wir hatten also insgesamt schon 3 Nächte im 1. Hochlager verbracht und somit perfekt akklimatisiert. Im 2. Hochlager wurden wir am Abend wieder einmal von einem Abendessen überrascht – Pizza. Wie auch immer der Bergführer der anderen Gruppe es geschafft hat, kann ich nicht sagen – aber er hat den Teig für den Belag frisch zubereitet und dann in der Pfanne eine wirklich sehr gute Pizza Salami zubereitet!

Dass alles so gut war, kann auch daran gelegen haben, dass ich immer unglaublichen Appetit auf alles hatte – zum Glück. Ich hab einfach gegessen, wie verrückt – neben den Mahlzeiten noch Süßigkeiten, Energieriegel und 5-6 Liter Tee und andere Getränke.

 

Viel Trinken und die logischen Folgen: – Richtig – man muss mindestens 5 – 6 Liter Flüssigkeit zu sich nehmen. Wer das nicht macht, wird den Gipfel nie sehen. Und jetzt stell Dir vor, um was für Gesprächsthemen es immer wieder geht, wenn man so viel trinkt…. und überleg Dir mal, was los ist, wenn man vor dem Schlafen gehen noch mindestens 1-2 Liter Tee trinkt und in der Nacht nicht aus dem Zelt gehen kann, weil es einfach zu kalt ist.  

 Richtig – man redet dauernd davon, wie viel man getrunken hat und wie oft man pinkeln war. Und im Zelt pinkelt man in Flaschen, die man dabei hat…. Auch eine neue Erfahrung für mich. Da man den ganzen Tag nichts machte, außer Warten, witzelten wir herum, dass wir schon so faul wären, dass wir nicht mal zum Pinkeln mehr aufstehen würden.

Bei anderen Teams waren Frauen dabei und die Neugierde der Männer war natürlich groß, wie das bei Frauen funktioniert ….  darauf werde ich jetzt aber nicht weiter eingehen – ich kann nur sagen, dass es Männer einfacher haben.

WC am Aconcagua

WC am Aconcagua

Und weil wir gerade dabei sind, kann ich auch die Frage klären, wie man die großen Geschäfte erledigt. Dazu gibt es in den ersten beiden Hochlagern Zelte, in denen man einen Beutel in einen Kübel spannt. Danach ist es nicht anders, als wenn man seinen Hund Gassi führt – das Beutelchen wird dann in einem Kübel oder einem Sack vor dem Zelt entsorgt. Die Körperhaltung einzunehmen ist sehr anstrengend, was dazu führt, dass man sehr tief atmen muss und die Gerüche…. Ok – genug – mehr Details erspare ich mir – ich habe mich nach dem ersten Versuch entschieden eine Imodium Akut zu nehmen, um erst mal alles zu stoppen und diese Sorge auf später zu verschieben. Ob das jetzt gesund oder gut ist, will ich nicht diskutieren.  Es hat auf jeden Fall gewirkt.

 

So – da diese Fragen nun auch geklärt wären, komm ich wieder zurück zum Bergsteigen.

 

Im 2. Hochlager planen alle Teams ihren Summit-Push. Einige Teams waren schon einen Tag früher im 2. Hochlager auf 5.500m und hielten ihre 2 Ruhetage ab. Wir brauchten nur einen Ruhetag, weil wir schon vorab akklimatisiert waren. Das Wetterfenster war in der Nacht von Freitag auf Samstag perfekt. Am Freitagmorgen merkte man die Aufbruchstimmung im Lager – alle Teams packten ihre Zelte und ihr Material und brachen ins 3. Hochlager hinauf.

Während alle anderen Teams ins Hochlager für die Normalroute gingen, packten wir unsere Sachen und gingen ins Hochlager zum Gletscher – unsere Aufstiegsroute war eine andere, als die Normalroute. Während fast alle Bergsteiger die relativ einfache Route nehmen, hatten wir an diesem Tag die Gletscher-Route für uns alleine. Ich genieße so eine der Exklusivität immer sehr. In dem Fall werde ich es zwar noch etwas bereuen – aber vorerst freuten wir uns auf den Aufstieg in der kommenden Nacht.

 

Auf dem Weg ins 3. Hochlager auf 5800m kamen wir auch an einer Absturzstelle von einem Hubschrauber vorbei, der schon über 30 Jahre hier lag. Seither fliegt kein Helikopter mehr hier hinauf. Es ist eine kleine Erinnerung daran, dass wenn hier etwas passieren sollte, man selbstständig herunterkommen muss – es kommt keine Hilfe mehr wenn man in Not ist.

Schon auf dem Weg zum Lager schauten wir immer wieder den Gletscher an. In den Tagen davor, aus weiter Entfernung wirkte er noch friedlich aber je näher man kann, um so steiler und bedrohlicher wurde er. Nicht nur ich schaute immer öfter hinauf und schüttelte mit dem Kopf – auch die anderen Teilnehmer mussten ihre Unsicherheit und den Respekt weglächeln.

 

Angekommen im 3. Lager, hatten wir alles recht schnell aufgebaut und kümmerten uns dann um die ganze Vorbereitung, solange wir noch Tageslicht hatten. Auch darum, dass in allen Flaschen genug Wasser drin ist, jeder noch einmal genug Tee zu trinken hatte und dass wir in der Nacht alles griffbereit hatten.

Wir bereiteten die Ausrüstung genau vor. Kleidung die warm sein sollte, packten wir in den Schlafsack hinein, damit sie warm wurde denn es wurde mit dem Sonnenuntergang bitterkalt. Zum Glück hatten wir nur wenig Wind – trotzdem fiel das Thermometer unter -30° . Wie schon die Nächte zuvor hatten wir im Zelt Schneefall von der Feuchtigkeit im Zelt, die an der Zeltwand zu Eis wurde. Warm war es nur im Schlafsack, der für solche Temperaturen ausgelegt war.

Lager 3 kurz vor dem Summitpush

Lager 3 kurz vor dem Summit Push – das Zelt voller Eis nur von der Atemluft – und es ist sehr kalt!

Um 3 Uhr weckte man uns auf – um 4 Uhr soll es los gehen. Bis dahin konnte ich leider keine Minute schlafen – um die Zeit tot zu schlagen, hatte ich noch ein Hörbuch dabei. Ich wäre auch lieber etwas ausgeruht gewesen – aber auf 5.800m konnte ich einfach nicht mehr schlafen.

Wir hatten also noch 1 Stunde Zeit. Innerhalb dieser Stunde musste man nur 2 Jacken, 1 Hose, 2 Schuhe und das Gurtzeug anziehen. Was normalerweise in maximal 5 Minuten erledigt ist, dauert in der Höhe und im Zelt sehr viel länger. Nach 20 Minuten hatte ich noch nicht mal die Schuhe an. Es ist extrem mühsam, sich im Zelt zu bewegen, wenn man nach jeder Bewegung immer sofort außer Atem ist, als hätte man gerade einen 500m Sprint hinter sich. Immer wieder muss man sich wieder hinlegen, um zu atmen.  Man kann sich das kaum vorstellen aber Schuhe anziehen ist eine Mammut-Aktion bei der man sich durchaus derart verausgaben kann, dass man minutenlang ausruhen muss, um wieder zu Atem zu kommen.

Ich brauchte 50 Minuten, bis ich diese kleine Aufgabe erledigt hatte. Zum Glück war alles andere bestens vorbereitet denn weitere Zeit war nicht mehr. Noch schnell einen Tee trinken und irgendwas essen – irgendwas wo Zucker drin war… schnelle Energie damit man aufstehen konnte und Energie hatte, in die Kälte rauszugehen.

Ein kurzer Ruf aus dem anderen Zelt war das Startzeichen, um das Zelt zu öffnen, rauszugehen, den Rucksack auf den Rücken zu packen und loszugehen. Es ist so bitterkalt, dass man nicht auf jemanden warten würde, der nicht fertig ist. Einzig und allein Bewegung kann einen jetzt warmhalten und somit gingen wir einfach los. Unser Bergführer hatte 2 weitere Bergführer zur Hilfe, so dass praktisch jeder Teilnehmer einen eigenen Guide hatte – da die meisten Bergsteiger führe oder später aufgeben, war das notwendig, damit Teilnehmer, die es doch schaffen würden, nicht an Teilnehmer gebunden sind, die es nicht schaffen.

 

Mein linker Fuß war noch sehr kalt und wärmte sich auch nicht mehr auf. Daraus lernte ich – auch wenn es unbequem ist: Die Schuhe müssen mit rein in den Schlafsack. Ein kalter Zeh nervt einfach gewaltig!  Der Hauptgrund war aber ein Anderer – kleiner, aber ärgerlicher Grund: Am Vortag trug ich dünne Socken beim Aufstieg, die ich in der Nacht anbehielt. Beim rechten Bein dachte ich dran, den Sock auszuziehen und nur den dicken Socken anzuziehen. Beim linken Bein – 15 min später – dachte ich nicht mehr dran und zog den dicken Socken über den dünnen.

Man würde denken: mehr Socken – mehr Wärme … falsch gedacht:  mehr Socken, weniger Durchblutung und damit kalte Zehen!!!  Wieder was gelernt, das mir hoffentlich nicht mehr passieren wird.

 

Wir gingen los, während gleich am Anfang ein Teammitglied etwas zurückfiel. Wir machten uns aber keine Sorgen – jeder konzentrierte sich auf sich selbst. Der Teilnehmer absolvierte den Iron-Man auf Hawaii 3-mal. Er war top fit und wir waren uns sicher, dass er schnell aufholen würde.

Vor uns standen 1.200 Höhenmeter an 1.600m Fixseilen und ein Aufstieg, der volle Konzentration forderte. Nicht weil es so schwierig ist, an einem Fixseil hochzuklettern, sondern weil die Höhe und die dünne Luft alles von einem abverlangt, was an Energie vorhanden ist. Die erste Stunde ging es noch über steiniges Gelände dahin. Man stellte einfach einen Fuß vor den Anderen – langsam und gemächlich, um ja keine Energie zu verschwenden.

 

Auf einmal hieß es: „Crampons on“ – also: „Steigeisen anziehen“. Ich war gut vorbereitet und hatte die Dinger schnell an den Schuhen, ohne dass ich mir Frostbeulen an den Fingern holte. Der Teampartner, der am Anfang schon zurückfiel, hatte hier Schwierigkeiten – seine Steigeisen passten nicht. Er hat sie nicht vorbereitet und damit setzten sich seine Probleme fort.

Zu Hause im Garten sind Steigeisen schnell eingerichtet – eine Aufgabe von 3 Minuten. Bei Minus 30°, leichtem Wind und im Lichtkegel der Stirnlampe ist diese Aufgabe allerdings gefährlich, weil Haut in Kontakt mit Metall kommt. Er ist Gehirnchirurg und kann sich keine Frostbeulen leisten! Es ist also eine echt gefährliche Situation.

Trotz Hilfe von seinem Bergführer dauerte alles viel zu lange – er fiel zurück, weil er sich viel zu sehr verausgabte und die Aktion locker 30 Minuten gekostet hat.

4 Stunden später musste er aufgeben und umkehren. Im Nachhinein sagte er, dass Schuhe anziehen und das Problem mit den Steigeisen den Punkt auf das i ausgemacht haben. Am Tag zuvor hat er weniger getrunken, fühlte sich schwach und konnte nicht schlafen – die Kleinigkeiten, die so unbedeutend klingen – brachten einen echten Ironman nach nur 5 Stunden zum Aufgeben.

Wir kämpften uns derweilen Schritt für Schritt über einen Gletscher, der in sehr wildem Zustand war, bis zum Fixseil durch. Per GPS fanden wir es dann auch an einem Punkt, wo es meiner Meinung nach auch echt Zeit wurde, um sich anzuseilen. Es war schon recht steil und die gesamte Oberfläche war pures Eis mit Löchern – man stolperte praktisch nur von einem Eisloch zum anderen – laut Bergführer war der Gletscher in extrem schlechten Zustand.

 

Jeder hoffte, dass es weiter oben besser werden würde. Irgendwann kam die Sonne raus, was unglaublich guttat. Es war äußerst anstrengend, sich auf diesem durchlöcherten Eis nach oben zu hangeln. Ich schaute zurück und sah einen gewaltigen Gletscher hinter uns und man würde hoffen, dass wenn man nach vorne schaut, das Ziel etwas näher kommt … Wunschdenken…. Hinten wurde es immer kleiner und vorne nicht größer. Was habe ich hier wieder angefangen – warum tu ich so was? Freiwillig auch noch?

Wir wurden immer langsamer und ich verlor jedes Zeitgefühl. Ich hatte keine Ahnung mehr, wie lange wir schon unterwegs waren. Die Sonne wärmte uns wenigstens nett auf und die Außenbedingungen waren super. Nur der Gletscher war heftig – eine einzige Eisfläche, die jeden Schritt immer beschwerlicher machten. Meistens machte man 2 – 3 Schritte, um dann wieder Pause zu machen. Wenn man einen Stand gefunden hat, wo man nicht voll in den Waden stand, blieb man dort stehen, um sich auszuruhen. Es wurde immer steiler und die Krux kam einfach nicht näher. Sie war das erste Etappenziel, das wie vor 11 Uhr erreichen sollten, um in der Zeit zu bleiben.

Die Krux ist ein Eisfall – praktisch eine Eiswand die man durchklettern musste. Unter normalen Umständen ein kleiner Gewaltakt – ohne Sauerstoff steht man allerdings davor und fragt sich, wie das gehen soll. Wenn schon ein Normaler Schritt nach oben, allen Atem abverlangt, den man hat – wie soll man sich da rauf hangeln?

Wir sind dann vor der Zeit angekommen und irgendwie ging es – aber ich hab dabei meinen Handschuh verloren. Solange die Sonne raus war, hatte ich noch die dünnen Handschuhe an – hoffen wir, dass es so bleibt!

Der endlose Gletscher

Der endlose Gletscher – 10 Stunden und es wird immer steiler…

Der Bergführer machte uns Mut – nach der Krux sollte der Gletscher besser werden. Es wäre nur noch eine Seillänge und dann der Kamin mit dem Ausstieg. Wir waren schon 8 Stunden unterwegs und er sagte auch, dass wir den Point-of-no-return überwunden hätten. Es wäre von jetzt an also schwieriger und langwieriger, sich abzuseilen als über den Gipfel hinauf und dann die Normalroute hinunterzulaufen. Das machte irgendwie Hoffnung aber irgendwie auch Angst.

Aconcagua, Polnischer Gletscher, die Krux

Aconcagua, Polnischer Gletscher, die Krux

Dann sah ich allerdings diese nächste Seillänge. Noch steiler – kein Schnee – pures Eis und endlos lang. Wir wurden immer langsamer und obwohl das Ziel so greifbar nahe lag, kam es einfach nicht näher. Wir waren schon auf über 6500m und ich bemerkte, dass ich oft nach 2 – 3 Schritten und extremen Hyperventilieren kurz einschlief. Alle paar Schritte musste man mich aufwecken, damit ich weiter ging – so einen Durchhänger hatte ich noch nie.

Man sollte unterwegs essen und trinken. Mir gelang es zwar, ab und zu noch etwas zu trinken. Immerhin hatte ich 1,5 Liter Tee für die ganzen Tag dabei – aber essen ging nicht mehr. Ich würde zu wenig Luft durch die Nase bringen und mich danach direkt übergeben müssen. Man dehydriert derart schnell und wird schwach – im Nachhinein ist mir klar, warum man die Tage davor jede Zelle im Körper praktisch ertränken muss, damit am großen Tag nicht alles kollabiert.

Vor uns lag der Kamin – eine Stelle, die technisch ein wenig anspruchsvoll, aber interessant ist. Für mich spielte allerdings der Schwierigkeitsgrad schon lange keine Rolle mehr. Ich wollte nur noch dort sein. Geschätzte 50m entfernt glaubte ich, dass wir gleich dort wären. Ich weiß nicht, ob meine Einschätzung so weit daneben war oder es wirklich so hart war, aber es soll noch eine Stunde dauern, bis wir endlich dort waren.

Aconcagua, Polnischer Gletscher, der Kamin

Aconcagua, Polnischer Gletscher, der Kamin

Gut war nur, dass ich kein Zeitgefühl mehr hatte. Ich habe den Willen unterdrückt, ständig nach oben oder nach unten zu schauen – es war so frustrierend, dass wir so langsam waren und es so anstrengend war, aber ich zog Energie aus den zahlreichen Nickerchen und irgendwie schafften wir es zum Kamin. Der Kamin war leicht technisch – aber zur Abwechslung etwas Fels und eigentlich der schönste Teil in diesem Gletscher.

Aconcagua, Polnischer Gletscher, der Kamin

Aconcagua, Polnischer Gletscher, der Kamin

Nach dem Kamin machten wir etwas Pause. Die nächsten paar Meter sahen etwas besser aus – langsam kam so die Hoffnung auf, dass das Ziel näherkommt. 1-2 Schritte, atmen – Pause und weiter.

Wir sind schon 10 Stunden am Kämpfen und ich schwor mir – nie wieder! Es reicht!! Zu Hause könnte ich jetzt die Spülmaschine leeren, den Keller aufräumen oder den Christbaum schmücken – irgendwas tun, bei dem man sich nicht freiwillig derart kaputt macht. Es sind die Momente, wo man sich fragt, warum man so was tut und merkt, dass es gar nicht um diesen Berg geht.

Dem Berg ist egal, wer auf ihm herumkrebst und wer dabei leidet. Der Berg ist einfach da und es gibt sicher gleich viel Gründe ihn zu besteigen, wie Menschen, die es versuchen. Jeder hat seinen eigenen Grund, sich so was anzutun. Erklären kann ich es nicht, aber ich fand irgendwann, dass ich einfach nur dankbar bin, diese Möglichkeit zu haben, es zu tun.

Ganz ohne Grund – einfach nur in der Lage zu sein, mich in so eine Lage zu bringen… es gehört Einiges dazu! Man muss fit und gesund genug sein, man muss die Idee dazu haben, muss den Mut und die Muse sie umzusetzen, die Zeit, das Geld und das Glück, dass all diese – und noch viele weitere Punkte – zusammenkommen, damit ich hier und jetzt in diesem Moment alles so pur erleben kann.

Dafür konnte nicht dankbar genug sein und mit dieser Erkenntnis kam auch wieder Kraft und es ging weiter.

Trotzdem hoffte ich aber, dass jetzt dann gut ist und wir hoffentlich bald oben wären – aber es war wie ein Schlag ins Gesicht, als wir über eine kleine Stelle Felsen kletterten und dahinter eine gewaltige, blaue Eiswand sahen – keine Löcher mehr, keine Rillen, kein Schnee – nur noch pures, blaues Eis mit über 50° vor uns. Wie um Gottes Willen sollen wir da durch – das Fixseil geht gerade hinauf – ich schätze 70m.

 

Auf einer normalen Höhe haut man die Steigeisen einfach rein und zieht sich rauf – in der Höhe hier – inzwischen über 6800m – klappt das nicht so einfach. Aber was solls… da müssen wir durch. Ich schaute kurz zurück – alle dachten glaub ich dasselbe, aber es half nix – wir mussten da rauf…. 2-3 Schritte und 1 Minute Pause… vielleicht auch mehr. Der Bergführer vor mir machte das Tempo – auch er schien jetzt in den Pausen kurz einzuschlafen. Es ging fast nichts mehr weiter – diese Eiswand machte uns alle fertig. Vielleicht 1 Stunde später sah ich den Ausstieg vor uns – nicht den Gipfel – nur das Ende vom Seil.

Der Bergführer vor mir schaffte es – er lag dann auf dem Boden und war komplett am Ende. Ich legte mich daneben und mein Kletterpartner schaffte es auch. Wir warteten auf unseren zweiten Bergführer, der ja schon zig 8000er bestiegen hatte und ein echter Rockstar in der Szene war. Er fiel weit zurück – wir konnten ihn über die Kuppel nicht sehen. Es dauerte und ich fragte, ob wir nachsehen sollen – ich erntete nur Kopfschütteln. Worte gingen nicht mehr. Das Seil bewegte sich ab und zu – also war er unterwegs – und nach gut 20 min kam er dann auch an – ebenfalls komplett am Ende.

 

Es beruhigte mich irgendwie, dass so ein Profi genauso am Ende war, wie wir und er auf den letzten Metern noch so weit zurückfiel. Er war schon 58x auf dem Aconcagua – jedoch nur 8x über diese Route und noch nie war der Gletscher in so einem Zustand und seine ersten Worte waren: « you guys are ready now for every 8k peak in the Himalayas»  – mal schauen, was ich aus der Information machen werde.

Von hier aus konnte man – so dachte ich – den Gipfel sehen. Nur noch 2 Hügel – kein Seil mehr und eigentlich nicht weit. Die Frage, wie lange das noch wäre, hätte ich mir ersparen sollen…. „A couple of hours“ … verarscht er mich jetzt…. Wtf…  Es ist schon nach 14 Uhr – wir sind schon 10 Stunden unterwegs – und wir sind immer noch so weit vom Gipfel entfernt?

Aber gut – hier runter geh ich bestimmt nicht mehr – also einfach einen Fuß vor den anderen setzen. Ohne jegliches Zeitgefühl erinnere ich mich auch nicht daran, wie lange das über den Grat dahin ging – es war endlos, bis wir irgendwann auf steiniges Gelände kamen und da wusste ich, dass der Gipfel nahe war – und so war es dann auch.

Aconcagua, Polnischer Gletscher, Summit

Aconcagua, Polnischer Gletscher, Summit

Über 12 Stunden Aufstieg und alle waren fix und fertig. Es kostete alle Anstrengung, noch ein paar Bilder zu machen und dann die Steigeisen auszuziehen. Gefühlt waren wir 5 min am Gipfel – in Wirklichkeit wohl fast eine Stunde. Der Bergführer erklärte uns, dass dies der Schwierigste seiner 58 Aufstiege war und er auch nicht damit gerechnet hätte, dass der Gletscher in so einem Zustand ist.

Und jetzt war auch klar, warum wir so einen Rockstar an unserer Seite brauchten. Es war einfach ein heftiger Aufstieg – ein Gewaltakt, der von jedem alles forderte und jeden an seine Grenzen brachte. Er sagte auch, dass kein 8000er so anstrengend wäre, weil man einfach Sauerstoff einsetzen würde, keiner der Aufstiege so viele Höhenmeter hätten und dass es niemals eine so steile und glatte Eiswand gäbe, wie hier. Nach so vielen Jahren wäre er noch nie so fertig gewesen, wie nach diesem Aufstieg.

Als ich das Abenteuer gebucht hatte, dachte ich an einen Trekking-Berg und nicht daran, dass wir einen derart schwierigen und langwierigen Aufstieg erleben würden. Man findet im Internet keine Videos über die Details dieser Route – was nicht wundert, weil man einfach nicht dazu kommt, Videos und Bilder zu machen. Im Nachhinein ist es eine absolut geniale Erfahrung – nur als ich drinsteckte, hätte ich mir schon gewünscht, dass es einfacher wäre…

 

Ich suchte noch 3 Steine vom Gipfel für meine Kinder und wir machten uns an den Abstieg auf der Normalroute. Es ist ein langer Abstieg aber im Gegensatz zu unserem Aufstieg, wirkte diese Route wie ein Spaziergang. Klar – es war sehr lange und auch steil, schlechter Untergrund, aber es ist sogar für Blinde machbar….

Richtig gelesen: Am Gipfel saß ein Team, das wir die Tage davor schon getroffen haben – 2 Blinde wurden von einem Team hinaufgeführt. Sie waren zwar spät unterwegs aber schafften es!

Erst wollten wir noch etwas über den Abstieg jammern… als wir dieses Team sahen sagte ich nur: wir müssen ja nur noch hinunter laufen … die hier müssen das jetzt auch noch blind! Es gab also keinen Grund mehr zu jammern.

 

Auf der Normalroute ist es einfach nur die Höhe, mit der man zurechtkommen muss – die Höhe ist unkalkulierbar, aber wenn man trainiert und fit an den Berg kommt – auf die extreme Kälte vorbereitet ist und den eisernen Willen hat, schafft man es auch. Einfach einen Fuß vor den anderen setzen. Man muss sich an keiner Stelle anseilen, nicht klettern und es gibt keine technischen Stellen – es ist einfach nur verdammt lange und das in sehr großer Höhe.

Die Beine wurden schwerer und der Abstieg war lange. Ich konnte nicht glauben, dass wir so viele Meter auf dem Gletscher aufgestiegen sind, wie wir hier «locker hinunter hüpften». Gute 800hm weiter unten – nach etwas über 2 Stunden – stand die Traverse zurück zum Gletscher an. Wir sahen die Zelte von unserem Lager weit hinten und es gab keinen Weg – nur eine schier unendlich lange Schotterhalde, auf der wir uns unseren eigenen Weg bahnten.

 

Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis wir dort waren. Ich war so dehydriert und fertig wie noch nie im Leben. Ich wollte nicht mal mehr reden. Es muss nach 20 Uhr gewesen sein, als wir das Lager erreichten, weil gerade die Sonne unter ging und es wieder bitterkalt wurde. Es kostete mich alle Kraft, aus den Schuhen zu kommen. Mein Teampartner war schon im Schlafsack – ich kroch hinein und anstelle uns zu gratulieren sagte ich nur noch: „Reden wir morgen“…. Ich hatte keine Kraft mehr, ihm zu gratulieren.

Im Zelt auf 5800m, wo ich die Nacht davor kein Auge zu brachte, fiel ich jetzt in einen Schlaf wie ein Stein – erst die Sonnenstrahlen am nächsten Tag weckten uns. So gut habe ich schon lange nicht mehr geschlafen!

Wir wachten gegen 8 Uhr auf, lagen im Zelt, schauten uns kurz an, lachten zufrieden und reichten uns die Hand…. «Gratuliere… wir haben es tatsächlich geschafft.»

 

Ich war zwar ausgeruht aber immer noch müde und geschlagen. Das spielte jedoch keine große Rolle mehr. Wir mussten nur noch packen, das Lager abbauen und ins Basislager hinunter gehen. Da man jetzt keine Ausrüstung mehr sortieren musste und drauf achten musste, Dinge in den richtigen Taschen griffbereit zu halten, ging alles schnell. Alles rein in die Rucksäcke, Zelt zusammenpacken und drauf achten, dass kein Müll zurückbleibt – fertig.

Der Abstieg geht dann zügig. Man baut auf den schier endlosen Schotterhalten, auf denen man die Tage davor mühsam hinauf ging, schnell Höhenmeter ab. Da der Untergrund weich ist, gibt es kaum Belastung auf den Knien und so ist man nach ca. 3 Stunden schon im Basislager.

Etwas war allerdings an dem Tag anders, wie an allen anderen Tagen. Normalerweise war auf der Route immer Verkehr – Porter und Bergsteiger in Rotationen. Aber heute war nichts los – keine Seele auf der ganzen Strecke.

Der Grund war einfach: Finale der Fußball WM und alles, was an dem Tag auf den Berg hinauf oder herunter musste, wurde so organisiert, dass jeder im Basislager war, um das Spiel zu sehen.

Während wir unseren Erfolg feierten, gewann Argentinien die WM und damit hatten wir den totalen Ausnahmezustand! Besser hätte es nicht kommen können – wir feierten alle eine unglaubliche Party im Basislager, die wir so schnell nicht vergessen werden. Einen besseren Abschluss hätten wir uns nicht wünschen können denn für unser Gefühl feierten alle mit uns auf unseren Erfolg.

 

Der Helikopter brachte uns dann noch zum Eingang vom Park und wir kamen in Mendoza an, wo die ganze Stadt auf den Beinen war und feierte. An dem Tag gab es keinen besseren Ort auf der Welt als irgendwo in Argentinien zu sein und zu erleben, wie glücklich diese Menschen alle feierten. Ich werde diesen Abend für immer in Erinnerung behalten. Wir waren so zufrieden und glücklich und mit uns das ganze Land…

Abschließend kann ich sagen, dass dieses Erlebnis ganz bestimmt zu den ganz großen Abenteuern im Leben gehört, die man erleben kann. Es ist ein einzigartiges Abenteuer mit ganz eigenem Charakter und hat alles, was ein Erlebnis braucht, über das man seinen Enkelkindern noch erzählen wird.

 

Vielen Dank an Ulises, Grajales und Furtenbacher Adventures

 

Aconcagua, Polnischer Gletscher, Summit

Aconcagua, Polnischer Gletscher, Summit

nur 1 Woche liegen dazwischen

Zwischen diesen beiden Bildern liegen nicht 25 Jahre, wie man meinen könnte, sondern 7 Tage…

 

Mein Tipp, wenn Du Lust auf den Aconcagua hast:

 

Ob Du die Flash-Version machen möchtest oder einen normalen Aufstieg, spielt weniger eine Rolle – Du musst nur die Variante und Route wählen, die zu Dir passt. Wichtiger ist, dass Du mit einem guten Team unterwegs bist, alles perfekt organisiert ist, Du Deinen Träger hast und ich würde auf jeden Fall die  360° Route machen.

Allein, weil man ab ca. 7 Uhr am Morgen schon ein warmes Zelt hat, wird man die Route schätzen. Außerdem geht man wirklich um den Berg herum und bekommt auch beim Abstieg immer was Neues zu sehen.

Die Wahl der Route sollte auch gut überlegt werden. Die Normalroute geht als Trekking durch. Wenn es nur darum geht, den Berg zu besteigen, mit Sicherheit die beste Variante. Wenn Du aber eine echte Herausforderung suchst, die echt Einiges abverlangt, ist die Gletscherroute perfekt.
Eines ist wichtig dabei: So schwierig sie sein mag und so wild es klingen mag – sie ist nicht gefährlich. Man geht am Fixseil und es gibt keine Lawinen oder andere Gefahren.

 

Wähle die Ausrüstung gut aus – nicht wenige müssen umdrehen, weil sie die falschen Handschuhe dabeihaben oder sonst was fehlt, weshalb sie frieren. Friert man, ist der Spaß vorbei denn es wird da oben echt kalt! Hast du zu viel Krempel dabei, ist der Rucksack zu schwer und Du kommst auch nicht rauf… wähle also weise!

Lade genug Bücher auf Dein Handy herunter – ein Kindle ist eine gute Idee – und nimm genug Akku mit denn es gibt da oben wirklich nichts zu tun, während du darauf wartest, dass Dein Körper rote Blutkörperchen produziert.

Was Medikamente angeht: Ich selber hatte nur Paracetamol für den Notfall dabei. Man sollte die Signale vom Körper möglichst nicht ausschalten sondern sehr ernst nehmen, weshalb ich selbst die Tabletten. nur im äußersten Notfall genommen hätte. Ich hatte aber 2 Ärzte dabei und deshalb hab ich auf Empfehlung am Abend 125mg Diamox genommen, um besser zu schlafen. Um Druck aus der Lunge zu nehmen, soll auch eine halbe Viagra helfen – aber auch das sollte man erst nehmen, wenns wirklich notwendig wird. Ansonsten gilt: Wenn der Körper Signale gibt, muss man sie ernst nehmen!

Und das Wichtigste: Genieß jeden Teil der Reise… hab Spaß und saug jeden Moment in Dich auf!

 

Hier der link zur Expedition: https://www.furtenbachadventures.com/en/trips/aconcagua-flash-polish-glacier/