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Abenteuer Kilimanjaro – Pole Pole

Als ein Kind der Alpen hatte ich schon immer eine innige Verbindung zu den Bergen. Allerdings habe ich mir vor einigen Jahren beim Felsklettern einen Fersenbeinbruch zugezogen. Seither ist mir das Felsklettern wegen des verformten Knochens nicht mehr gut möglich.

Schon lange hatte ich die Idee, einige Gipfel der „Seven Summits“ zu besteigen. Das sind die jeweils höchsten Berge der sieben Kontinente. In Europa ist es der Mont Blanc (4810m) und/oder Elbrus (5642m), in Afrika in Tansania der Kilimandscharo (5895m) und in Argentinien der Aconcagua (6962m) die ich zu meinen persönlichen Zielen erklärt habe und die ich mit meinen Fähigkeiten und meinem Trainingsgrad besteigen kann.

Aufgrund der Gegebenheiten durch Corona konnte ich viel Zeit zu Hause verbringen und Pläne schmieden. Zufällig bin ich auf eine Anzeige gestoßen, in der die Firma Aktivferien AG auf einen Infoabend in meiner Nähe aufmerksam machte, in dem es um die Besteigung des Kilimandscharos gehen sollte.

Ich bin spontan hingegangen und war begeistert, weil sie neben der Besteigung auch eine mehrtägige Safari im Programm hatten. Ich war sehr überrascht darüber, dass man trotz der Corona Situation nach Tansania reisen konnte. Aufgrund von Corona war Tansania praktisch touristenfrei und wir sollten den Berg für uns allein haben. Daher buchte ich augenblicklich. Exklusivität ist genau mein Stil – so etwas wird es nie wieder geben!

Noch zwei Wochen hatte ich Zeit, um mich vorzubereiten, die teilweise fehlende Ausrüstung zu organisieren und ein wenig zu trainieren. Dann ging es auch schon los.

Kilimanjaro Besteigung

Wir waren eine kleine Gruppe von nur sieben Teilnehmern und einem Schweizer Bergführer. Die Anreise war sehr langwierig. Drei Mal mussten wir umsteigen und hatten jeweils bis zu sieben Stunden Aufenthalt, was die normalerweise zwölfstündige Reisezeit beinahe verdreifachte.

Es war die Mandara Route, die wir wählten. Nur eine von vielen, die zum Gipfel führen. Alles war gut organisiert, mit vielen Trägern und Köchen, die unsere Sachen sowie die Nahrungsmittel zu den Camps hinauftrugen, sodass wir uns lediglich um den Tagesrucksack kümmern mussten.

Im Schnitt werden jedem Bergsteiger zwei bis drei Einheimische zugeteilt, die das Unternehmen unterstützen. Es geht dabei nicht um Effizienz, sondern darum, möglichst viele Menschen am Berg zu beschäftigen. Eigentlich wären nicht so viele Träger notwendig. So gibt es beispielsweise für jede Gruppe immer drei Köche, obwohl sich einer locker um fünf Gruppen kümmern könnte. Für jedes Team (und davon sind oft viele am Berg) steht auch jemand bereit, der täglich drei frische Papayas und Suppengemüse in die Berghütten bringt.

Es geht darum, möglichst vielen Menschen eine Beschäftigung und damit ein Einkommen zu ermöglichen, was für das Land sehr wichtig ist.

Das Erste, was man sofort lernt, ist: „Pole Pole“ was so viel heißt wie: «Langsam, langsam». Wer auf hohe Berge steigen will, muss von unten an langsam laufen und ich meine damit sehr langsam. Am besten setzt man einen Schritt nach dem anderen und verbindet dies mit einer tiefen Atmung.

Was die Besteigung des Kilimandscharos so besonders macht, ist, dass man durch alle Vegetationszonen wandert. Zu Beginn ist man im tiefen Regenwald, wo man auf viele seltene Primaten und andere Tiere trifft. Das Ziel ist die Mandara Hütte, die noch im Regenwald auf 2700m liegt.

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Man bekommt überraschend gutes Essen serviert, was mich, um ehrlich zu sein, am meisten erstaunt hat.

Am nächsten Tag absolviert man den 11 km langen Aufstieg zur Horombu Hütte. Hier geht es durch neue Vegetationszonen, bis man am nächsten Zwischenstopp auf circa 3700 m angelangt ist. Die Luft ist nun deutlich dünner und schnelle Bewegungen rächen sich sofort in Form von Schwindel. Sie können durchaus auch Übelkeit oder gar akute Höhenkrankheit hervorrufen. Ab jetzt ist der Körper empfindlich gegen alle Reize und reagiert in dieser Höhe sehr sensibel. Deshalb bleibt man zur Akklimatisation für einen weiteren Tag hier, und unternimmt nur eine kurze Tour, die die Anpassung an die Höhe erleichtert.

Auf der Horombu Hütte spürten wir dann die Exklusivität der Reise. Wo sich normalerweise bis zu 500 Bergsteiger tummeln, waren wir die einzige Gruppe. Niemand hatte diesen Ort jemals so exklusiv erlebt wie wir. Obwohl die Corona-Pandemie eine Tragödie ist, konnten wir ihr hier zumindest im kleinen Kreis etwas Positives abringen.

Das Ziel des 4. Tages war die Kibo Hütte auf 4700 m. Auf dem Weg dorthin ging es durch eine Landschaft ohne Vegetation, fast als wären wir auf einer Expedition auf dem Mars anstatt einer Bergbesteigung in Afrika. Die Sonne war sehr intensiv und die Luft dünn. Ab hier konnte man sich nicht mehr schnell bewegen. Egal, was man in dieser Höhe macht – alles sollte wohlüberlegt und langsam geschehen. Man atmet beim langsamen Gehen, als würde man einen Marathon laufen.

Bei der Ankunft konnten wir noch die letzten Sonnenstrahlen genießen bevor wir noch versucht haben, etwas zu essen. Nach dem Abendessen legten sich alle kurz hin, denn um Mitternacht ging es los. Nach einem Tee und einer Suppe – sofern in dieser Höhe überhaupt noch etwas gegessen werden konnte – brachen wir um ein Uhr morgens auf. Die starke Kälte und der leichte Wind machten manchten sofort klar, dass wir jetzt in einer neuen Situation sind. Die letzte Etappe unserer Expedition hatte kaum etwas mit den Wanderungen an den Tagen davor zu tun. Dunkelheit, Kälte und nur noch den kleinen Lichkegel der Stirnlampe vor sich, geht es Stunde um Stunde den Berg hinauf.

Jede Stunde gab es eine sehr kurze Pause, um etwas Tee zu trinken und etwas Schokolade oder Traubenzucker zu essen. Bereits nach der zweiten Pause musste eine Teilnehmerin aufgeben und zurück gehen – sie wurde von der Höhenkrankheit eingeholt. Kurz danach setzte schneidend kalter und feuchter Wind ein, der die Temperatur noch weiter unter den Gefrierpunkt drückte. Innerhalb kürzester Zeit waren wir komplett vereist.

Pro Schritt musste man einmal tief ein- und ausatmen. Die Umgebung, ja selbst das Zeitgefühl rückte für uns nach und nach vollkommen in den Hintergrund. Lediglich der nächste Schritt und das richtige Atmen wollten fokussiert werden, während die Temperatur stetig weiter fiel.

Zwischendurch drehte ich mich zu meinem Bruder um. Ich fragte ihn, ob es ihm gut gehe, wegen der Höhe, dem starken Wind und der Kälte. Er sagte nur: „Jetzt sind wir im Abenteuer angekommen.“ Genauso fühlte sich auch an und weil er, als erfahrener Bergsteiger, das sagte, hatte es in dem Moment eine besondere Gewichtung für mich.

Stundenlang wanderten wir weiter, was einiges an Leidensfähigkeit von uns erforderte, weil der Kopf und der Körper diesen Mangel an Sauerstoff und die Anstrengung nicht wollen. Jede Zelle sagt: umdrehen, aufhören, es reicht!

Von außen betrachtet klingt das einfach, aber in der Situation ist es, als wenn einem die Luft abgedrückt würde. Es ist sehr akut, als wenn man fast erstickt, und durchzuhalten wird zur Tortur.

Der erste markante Punkt, den wir erreichten, war der Gillman‘s Point. Die besondere Bedeutung dieses und des Stella Points, den wir später erreichten, verstand ich in dem Moment nicht, weil mich die Umstände soweit an die Grenze trieben, dass auch ich ans Aufgeben dachte.

Der Wind war dort oben extrem kalt und meine Finger waren so starr, dass ich meine Teeflasche nicht mehr aufmachen konnte. Die Nase tat so weh, dass ich Sorge hatte, sie könne erfrieren. Wieder einmal stellt man sich die Frage: Warum machen Menschen so etwas freiwillig?

Den Uhuru Peak erreichten wir dann, alle sichtlich gezeichnet und erschöpft vom Aufstieg, kurz vor sieben Uhr. Dank der ersten Sonnenstrahlen wurde es gleich etwas angenehmer. Zu dem Zeitpunkt war mir klar: wer behauptet, dass der Kilimandscharo ein einfacher Berg ist, hat entweder keine Ahnung vom Höhenbergsteigen oder er war noch nicht hier oben.

Nur weil es technisch einfach ist, heißt es nicht, dass alle es schaffen. Im Schnitt überwinden den Aufstieg nur ca. 70% jener, die ihn versuchen.

 

Der Abstieg aber war dann sehr leicht. Nur zwei Stunden später waren wir schon wieder auf der Kibo Hütte. Noch am selben Tag ging es weiter zur Horombu Hütte zur Übernachtung. Während sich die Nachtruhe am ersten Tag auf der Höhe als recht mühsam erwies, schliefen wir in dieser Nacht alle tief und fest.

Am darauffolgenden Tag gingen wir ganz hinunter und feierten den Erfolg mit einem Kilimandscharo Bier. Woran keiner dachte, war, wie schnell der Alkohol nach einer solchen Anstrengung seine Wirkung entfaltet. Aber wir hatten Spaß, das war die Hauptsache.

Die Tage darauf gingen wir dann auf Safari. Erst in den Ngorugoru Krater mit Übernachtung in der Wildnis und anschließend noch für zwei Tage in den Tarangire Nationalpark. In beiden Parks ist es möglich, alle Großwildarten und unzählige andere Tiere hautnah zu sehen. Ein einzigartiges Erlebnis, welches wir exklusiv erleben durften. Die riesigen Parkplätze in den Parks, wo normalerweise bis zu 200 Busse und Jeeps parken, standen leer. In der ganzen Zeit haben wir lediglich einen Bus mit Schulkindern aus Tansania gesehen.

Das ganze Erlebnis hat Lust auf mehr gemacht und so habe ich schon neue Pläne geschmiedet. Ich kann diese Reise jedem nur wärmstens empfehlen. Wer nicht Bergsteigen will kann in Tansania auch wunderbar auf Safari gehen, oder, wenn man sich weder mit dem Einen noch dem Anderen anfreunden kann, die freundlichen Menschen, die dieses Land bewohnen, persönlich erleben. Es war eine besondere Erlebnisreise, welche vom Team von Aktivferien AG bis ins Detail bestens organisiert wurde. An dieser Stelle möchte ich mich bei diesem Team herzlich bedanken.