Mera Peak (6.476m) und Lobuche East (6.119m) – Eine Reise mit interessanten Begegnungen
Es war wieder einmal an der Zeit, nach Nepal zu reisen und in neue Abenteuer aufzubrechen. Zu den bekanntesten 6.000er in Nepal gehören der Mera Peak und der Lobuche East. Bekannt sind diese Berge auch, weil sie vielfach zur Akklimatisierung für größere Berge, wie den Mt. Everest, bestiegen werden.
Ursprünglich war der Plan eigentlich nur, den Mera Peak mit Freunden zu besteigen, die beide das erste mal in Nepal unterwegs waren. Es wäre aber kein Abenteuer, wenn alles nach Plan verlaufen wäre…
Der Mera Peak ist fast 6.500m hoch und gilt als der höchste Trekkingberg der Welt. Er ist technisch einfach und man braucht keine Kenntnisse im Klettern, was ein Grund dafür ist, dass er durchwegs unterschätzt wird und viele Aspiranten somit nicht einmal in die Nähe des Gipfels kommen. Die Höhe, die Kälte, der Wind und die Tatsache, dass es immer noch ein gewaltig großer Berg ist, bringen viele Bergsteiger dazu, frühzeitig umzudrehen, um nicht in Gefahr zu geraten.
Für mich und meine Kammeraden begann die Reise schon einige Monate zuvor mit Training und der Vorbereitung. Während ich mit einem Kammeraden schon in den Alpen unterwegs war, mussten wir für den anderen Kammeraden sogar Bergschuhe und Kleidung kaufen, da er noch nie in den Bergen war – und schon gar nicht in solcher Höhe. Wir klemmten uns aber dran und brachten die Höhenmeter in die Beine, um fit für dieses Abenteuer zu werden, indem wir seinen Hausberg mehrmals die Woche rauf und runter gingen.
Unsere Reise ging über Doha nach Kathmandu, wo wir im traditionellen Hotel «The Dwarika´s» eincheckten. Es war nur für eine Nacht und zum Dinner wurden wir vom Reiseleiter in einem sehr schönen, nepalesischen Restaurant zum Dinner eingeladen.
Am nächsten Morgen ging es schon früh los. Wir flogen mit dem Helikopter nach Lukla, dem berühmten Flughafen, von dem aus viele große Expeditionen starten. Er gilt als der gefährlichste Flughafen der Welt, weshalb ich den Helikopter bevorzuge.
Dass es sicherer ist, täuscht allerdings, denn nur wenige Tage später stürzte ein Pilot in der Nähe von Lukla mit seinem Hubschrauber ab und verunglückte tödlich. Vielleicht nehme ich in Zukunft dann doch einen der robusten Twin Otter…
Lukla ist ein belebtes Dorf in den Himalayas weil hier viele Touristen vorbei kommen. Wir kamen in der Frühjahrssaison an und so war entsprechend viel los. Lukla liegt auf 2.800m, weshalb wir an dem Tag auch in dem Dorf blieben, um uns zu akklimatisieren. Wir fanden eine sehr schöne Lodge, wo wir bestens versorgt wurden und weil wir Zeit hatten, spazierten wir ein wenig auf dem Weg, der zum Everest Base Camp führte.
Denselben Weg lief ich schon vor einigen Jahren in der Corona Zeit entlang. Damals waren wir praktisch allein unterwegs und in allen Lodges die einzigen Gäste. So hatte ich es in Erinnerung, weshalb ich fast schockiert war, wie viele Touristen, Yacks und Träger unterwegs waren. Dauerns musste man aus dem Weg gehen und warten, wenn der Weg zu eng wurde. Ich war sehr froh, dass wir am nächsten Tag einen anderen Pfad einschlagen würden und auch, dass ich das Khumbu Tal anders kennen gelernt habe.
Am Abend hörten wir, dass es auch eine «Irish bar» in Lukla geben würde. Wissend, dass wir in den nächsten Tagen nur noch wandern auf dem Plan hatten, wollten wir noch ein Bier trinken und machten uns auf die Suche nach der Bar. Lukla hat keine Straßenbeleuchtung und es regnete, aber wir fanden die Bar und genossen unser letztes Bier für die nächsten 2 Wochen.
Am Morgen starteten wir nach einem guten Frühstück unsere Tour. Während alle Trekkingtouren und Expeditionen links in Richtung Namche Bazar gehen, gingen wir nach rechts in Richtung von einem Pass hinauf. Hier war kein Mensch mehr unterwegs – auf der ganzen Strecke sind wir an dem Tag niemandem mehr begegnet, bis wir in einem Dorf ankamen, das aus 2 Häusern besteht und uns Unterschlupf für die Nacht bot.
Man ist hier in sehr einfachen Verhältnissen unterwegs, schläft im Schlafsack und es gibt kein fließendes Wasser mehr. Man ist sofort 100 Jahre in der Vergangenheit auf einer Alm in den Bergen ohne Internet und kann die Ruhe genießen.
Ungewöhnlich war in der Saison, der viele Schnee um die Jahreszeit, der sehr weit in die Täler fiel. Es waren angeblich Ausläufer von einem Taifun, der auch am Everest dafür sorgte, dass viele Bergsteiger lange und teilweise vergebens auf ein Wetterfenster für ihren Aufstieg warten mussten. Für uns bedeutete es, dass wir am nächsten Tag schon über den ersten Pass im tiefen Schnee stampfen mussten.
Damit hat niemand gerechnet. In den Videos auf YouTube sah man nur einen Pass, den man überqueren musste, um in das nächste Tal hinunter zu kommen. Wir gingen ca. 4 Stunden steil aufwärts und kamen langsam in den Schnee. Als wir eine Pause an einer Hütte machten, die zu meiner Verwunderung bewohnt war und bewirtet wurde, kamen Bergsteiger mit Steigeisen an den Beinen entgegen. Ich schmunzelte noch darüber, aber es ging nicht lange, wurde ich eines Besseren belehrt.
Nach der Pause ging es weiter. Üblicherweise gehen die Träger immer voraus und wir gehen hinterher. Da hier aber so viel Schnee lag und man die Spur der Leute, die herunterkamen, nur noch erahnen konnte, mussten wir selbst eine Spur machen. Das war selbst für die starken Träger zu viel mit dem Gepäck auf dem Rücken, denn der Schnee wurde immer tiefer und es schneite immer mehr.
Ich und mein Bergführer, Tekumar, waren am stärksten und machten die Spur auf den Pass hinauf und als wir oben waren und ich mich schon freute, meinte der Bergführer, dass wir noch 2 weitere Pässe vor uns hatten, bevor wir ins Tal absteigen konnten. Man lernt da schnell, dass die Himalayas nur auf dem Papier flach sind…
Zusammen mit der Höhe – immerhin waren wir schon auf 4.500m – fast auf der Höhe der höchsten Berge in den Alpen – für die wir noch nicht akklimatisiert waren und der Länge der Tour, war das einer der anstrengendsten Tage dieser Reise. Ich fühlte mich schon fast schlecht, weil ich meinen Kammeraden ein schönes Trecking in Nepal versprochen hatte und nicht ein extremes Abenteuer im tiefen Schnee bei kaltem Wind und grausigem Wetter – aber gut.. jetzt waren wir schon mittendrin.
Am späten Nachmittag kamen wir in einer netten Hütte an, wo es gleich warmen Tee und Suppe gab. Dort trafen wir auch auf eine Gruppe aus Russland, die schon auf dem Rückweg vom Mera Peak war und berichtete, dass noch niemand oben war, weil es so viel Neuschnee hatte und immer stürmisch war. In den kommenden Tagen unserer Reise begegneten wir ausschließlich Gruppen, die dasselbe berichteten, was nicht unbedingt motivierend war.
Wir starteten aber trotzdem motiviert in den Tag hinein und gingen ganz in das Tal hinunter. Wir ließen den Schnee hinter uns und gingen in das kleine Dorf, wo wir wieder bestens verköstigt wurden. Das Essen ist einfach aber sehr gut. Dal Bhat nennt sich die Speise, die immer aus Reis und Bohnen mit Beilagen besteht.
Am frühen Abend kamen dann zwei Helikopter an, die Gäste aus Singapur abluden. Es war eine Gruppe, die mit einem bekannten Bergsteiger aus Singapur ebenfalls auf den Mera Peak aufsteigen wollten und man erkannte sofort, dass die meisten Leute dieser Gruppe Berge bisher nur aus dem Fernseher kannten. Sie himmelten alle ihren Rockstar an und gingen davon aus, dass er sie auf den Berg tragen würde – so war zumindest mein Eindruck. Wir lernten einige der Gruppe kennen und wir werden sie auch 4 Tage später wieder treffen, wo es dann mehr zu erzählen gibt.
Wir gingen am nächsten Tag weiter nach Tangnak und einen weiteren Tag später nach Khare. Beides sind kleine Dörfer in denen Nepalesen leben und arbeiten. Sie alle bieten Touristen Schlafplätze und sehr gutes Essen an, sind alle überaus freundlich und hilfsbereit mit ihrer warmen und herzlichen Art.
Wir haben die Zeit genossen. Es war ruhig und wir begegneten fast keinen anderen Bergsteigern, bis wir in Khare waren. Dort war etwas mehr los, weil jeder, der hier auf den Mera Peak wollte, auf das Wetterfenster wartete und die Ruhetage einlegte. Einer unserer Bergführer war schon ein Tag zuvor da und hatte die gute Nachricht, dass es wohl möglich sein wird, hinaufzukommen, obwohl es noch niemand geschafft hat.
Ich bin wie immer optimistisch geblieben und ließ es auf mich zukommen. Wir waren schon ca. eine Woche lang unterwegs und Zeit war nicht mehr so wichtig. Man geht, isst und ruht – darüber hinaus gibt es nichts zu tun und so warteten wir noch einen Tag und machten dann noch eine Tour zum Akklimatisieren auf den Mera La Pass.
Wir lernten auch sehr witzige Menschen kennen. In der Gruppe aus Singapur war eine Lady namens Dasy. Sie hieß nicht nur so sondern hat sich auch so verhalten und sie hat uns alle damit unterhalten. Die lustigste Aktion war die Modenschau, auf der sie tatsächlich mehrere verschiedene Hosen, Jacken und so weiter vorführte und fragte, mit was sie wohl am Gipfel am besten aussehen würde
Während wir alle nur ein Set Kleidung dabeihatten, um Gewicht zu sparen, ließ sie einen ganzen Schrank Kleidung hinauf schleppen… Sachen gibt es. Unglaublich
Später haben wir dann erfahren, dass sie es leider nicht zum Gipfel geschafft hat. Gut aussehen reicht halt nicht – man muss auch was leisten.
Am Abend noch packten wir die Sachen fürs Hochlager und machten uns am nächsten Morgen auf den Weg. Es war ein sehr schöner, sonniger Tag und ich ging mit meinem Bergführer voran. Wir waren zügig unterwegs und nach 4 Stunden waren wir im Hochlager, wo schon Suppe für uns bereitstand. Meine Kammeraden waren 2 Stunden länger unterwegs – es gab auch keinen Grund zur Eile. Mir war nur der Wind im oberen Teil zu kalt, weshalb ich schneller gehen wollte.
Das Hochlager liegt an einem äußerst spektakulären Felsen, neben einem Gletscherabbruch in einer unglaublich schönen Landschaft. Die Zelte werden am Felsen festgemacht da es nur wenige Centimeter daneben hunderte Meter in die Tiefe geht. Das Mannschaftszelt liegt unter einem Felsen, wo der Koch dauernd warmes Wasser bereit hält und alle Mahlzeiten zubereitet. Es gibt Knoblauchsuppe zu jeder Mahlzeit – und weil der Koch diese jeden Tag 3x zubereitet, ist sie wirklich außerordentlich gut!
Müdigkeit in den Bergen ist anders, als wenn man Sport macht. Wenn man irgendwo ankommt, ist man oft wirklich sehr müde und niedergeschlagen. Ich kann dann praktisch überall und in jeder Position schlafen. Ich erhole mich dann aber auch immer sehr schnell, wenn ich Süßigkeiten und Suppe bekomme.
Am Abend versucht man zeitig noch etwas Schlaf zu bekommen. Wie immer macht aber die Höhe und die Vorfreude den Schlaf sehr schwierig und mir gelingt es meistens eine halbe Stunde bevor man los geht, einzuschlafen. Das Leuten vom Wecker ist dann besonders unangenehm, weil man grad eingeschlafen ist. Dieses mal klingelte der Wecker um 2 Uhr damit man sich fertig machen kann und noch einen Kaffee bekommt.
Im Mannschaftszelt war schon reger Betrieb weil jeder seinen eigenen Bergführer hatte und der Koch noch ein kleines Frühstück zubereitete. Ich bekam nur einen Kaffee und 2 Kekse hinunter – das Essen in großer Höhe fällt mir immer sehr schwer. Inzwischen steck ich mir lieber ein paar Powergel ein. Die sind vom Handling her einfacher zu konsumieren und ich bring sie auch weg – was mir mit fester Nahrung nur sehr schwerfällt.
Einem Kameraden aus unserem Team ging es zu dem Zeitpunkt nicht mehr gut. Die Höhe setzte ihm sehr zu und obwohl er gut trainiert und vorbereitet war, hatte er erste Anzeichen der Höhenkrankheit. Leider musste er in dem Moment schon aufgeben und im Hochlager bleiben. Die Höhenkrankheit kann jeden und ohne erkennbaren Grund erwischen. Das passiert selbst erfahrenen Bergsteigern, die schon oft in großer Höhe waren und es ist unmöglich zu sagen, warum es einen manchmal trifft und ein anderes mal nicht.
Gegen 3 Uhr gingen aus dem Lager mehrere Teams los. Es war ein Moment reger Betrieb um das Hochlager herum. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie viele Teams sich in dem Lager befanden und ich war sogar etwas überrascht. Mein Bergführer und ich gingen los und sofort ging der Wind los. Das Hochlager ist hinter einem großen Felsen vor dem Wind geschützt, weshalb wir nicht bemerkten, wie stark dieser eisige Wind direkt dahinter ins Gesicht wehte.
Mein Bergführer war selbstverständlich extrem fit und hätte auch noch schneller gehen können. Er hatte es aber gut im Gefühl, wo ich an mein Limit kam, und wir legten ein super Tempo an den Tag. Nach ca. 1 Stunde hatten wir alle überholt und waren ganz vorne. Die ersten Teams drehten schon wieder um, weil der Wind immer stärker wurde.
Wir zogen durch – eine Pause zu machen, hätte eh keinen Sinn bei dem Wind und der Kälte würde der Tee in der Tasse gefrieren. Später haben wir erfahren, dass mit dem Wind Chill Faktor -56° Celsius herrschten. Am Gipfel wollte ich Tee trinken – es war aber so kalt, dass die Thermoskanne zugefroren war. Außerdem war sie so kalt, dass die Finger dran klebten – also einfach weg packen und weiter.
Wir waren nach 2 Stunden und 20 Minuten am Gipfel. Normalerweise sind die Teams zwischen 5 und 8 Stunden unterwegs. Wir waren vor Sonnenaufgang am Gipfel, machten schnell ein paar Bilder und machten uns sofort wieder auf den Weg nach unten. Ich hätte gerne noch den Ausblick zum Everest und Makalu genossen, aber es war einfach zu kalt und zu windig. Der Wind wehte am Grat oben so fest, dass wir mehrmals hinsitzen mussten, um nicht davongeblasen zu werden.
Es fühlte sich wieder mal nach Abenteuer an und einer dieser unbequemen Situationen, in die man sich freiwillig begibt, um dann froh zu sein, dass man es wieder raus geschafft hat. Wir eilten aber schnell den Berg hinunter und begegneten anderen Teams, die durchwegs sehr langsam waren und fix und fertig aussahen. Wir begegneten auch meinem 2. Kameraden, welcher Anzeichen von Erfrierungen an den Fingern hatte und wir ihm an der Stelle auch zum Umdrehen geraten haben.
Es war sein erster Versuch einen Berg zu besteigen und nach mit ist er am Weitesten gekommen. Weiter als alle anderen Teams in der Nacht und er verdient dafür großen Respekt und ich glaube, dass wenn ich ihm erklärt hätte, wie die Wärmepads für die Handschuhe funktionieren, er es geschafft hätte. Es sind wieder mal die Kleinigkeiten, die den Moment am Gipfel nach so viel Vorbereitung, verhinderten… man muss immer an alles denken – auch daran, dass nicht jeder weiß, wie Wärmepads funktionieren.
Das mit den Erfrierungen ist kein Spaß und geht bei solchen Temperaturen sehr schnell. Wir haben im Nachhinein erfahren, dass jemand, der in derselben Nacht unterwegs war, eine Zehe durch Erfrierungen verloren hatte und eine andere schwere Erfrierung an den Fingern hatte. Kalte Finger sind eine Sache, aber wenn die Durchblutung nicht mehr funktioniert, geht es sehr schnell und im schlimmsten Fall muss amputiert werden.
Wir rannten praktisch den Berg hinunter. Es war sehr einfaches Gelände und nach 40 Minuten waren wir wieder im warmen Mannschaftszelt. Wir sind also in 3 Stunden auf den Mera Peak hinauf und wieder heruntergelaufen. In der Nacht waren wir die einzigen Bergsteiger, die den Gipfel erreichten. Alle anderen Teams mussten aufgeben, weil der Wind noch stärker wurde und sie locker bis zu 8 Stunden unterwegs gewesen wären.
Es war also 6 Uhr am Morgen, als wir wieder im Lager waren, und so hatten wir Zeit genug, uns noch etwas hinzulegen und auszuruhen, bevor es dann wieder hinunter in die Lodge in Khare ging. An dem Abend war ich das große Gespräch in der Lodge. Alle gratulierten mir und einige wollten mit mir reden und befragen, weil sich auch herumgesprochen hat, wie schnell wir da rauf und runter gegangen sind. Auch Daisy und ihre Gruppe hörten meinen Erzählungen aufmerksam zu und antworteten mit lustigen Reaktionen als wären sie meine neuen Fans geworden.
An dem Abend feierten wir mit dem ganzen Team. Die Träger tranken so einen lokalen Schnaps, den ich nicht mal riechen konnte und ich bereute später noch sehr, dass ich 2 Bier getrunken habe. Feierlich verteilte ich noch die Trinkgelder an das ganze Team, was immer ein Highlight ist, wenn jemand so großzügig damit umgeht, wie ich es gewohnt bin. Es war ein schöner Abend mit tollen Gesprächen und eigentlich sollte es für uns dann schon zu Ende sein…
Eigentlich, denn irgendwer sagte, dass es im Khumbutal drüben noch einen Berg gibt, wo seit 2 Wochen niemand mehr rauf gekommen ist, weil das Wetter schlecht war. Weil es mir wegen den 2 Bier in der Nacht gar nicht mehr gut ging – Alkohol, so viel Anstrengung und die Höhe sind keine gute Kombination – hatte ich irre Kopfschmerzen und konnte nicht schlafen und obwohl es mir richtig dreckig ging, entstand die Idee, ins Khumbutal zu fliegen und es zu versuchen.
Am Frühstück waren ich und mein Bergführer und Freund, Tekumar, die ersten und ich fing an zu reden, was ich für eine Idee hätte und weil Nepalesen niemals etwas ablehnen würden, redete ich mich so hinein, dass ich ihn damit beauftragte, einen Flug nach Lobuche im Khumbutal zu organisieren – wir würden übermorgen auch noch auf den Lobuche East (6.119m) steigen.
Gesagt, getan. Er klemmte sich direkt dran – und so war 2 Stunden später ein Hubschrauber an der Hütte, der uns nach Kathmandu flog, wo wir einen Rasttag einlegten und das Touristenprogramm absolvierten. Meine beiden Kammeraden waren nicht mehr dabei und so flogen wir nach dem Rasttag wieder mit dem Helikopter los.
Um Geld zu sparen, schaut man immer, dass der Helikopter voll ist und so flog ich mit einem Inder. Dieser hatte keine Ausrüstung dabei und ich fragte ihn, was er macht. Er sagte, dass er nur zum Akklimatisieren in die Berge flog und am Abend wieder zurück, weil er lieber im Hotel schlafen würde. Ich staunte nicht schlecht… der Typ fliegt am Morgen für 6.000 Dollar ins Basislager zum Mittagessen und vor dem Abendessen fliegt er wieder ins Hotel.. das macht er mehrmals, damit er dann akklimatisiert ist und auf einen Berg steigen kann. Sachen gibt es… unglaublich.. wenn das die Gretl rausfindet!
Von Lobuche ging es dann ins Hochlager hinauf. Ein schöner Aufstieg durch eine atemberaubende Landschaft zwischen gigantischen Bergen. Im Hochlager hatte ich dann wieder so Begegnungen. Da war ein älteres Paar… beide waren recht stämmige Leute und ich wunderte mich schon, wie die überhaupt hier hochgekommen sind.
Der Mann erzählte mir, dass sie den Aufstieg auf den Lobuche East machen wollten und schon 16 Stunden!!! lang unterwegs waren. Sie haben es nicht geschafft und ich staunte einfach nur. Es waren Amerikaner und beide konnten nicht mal mehr ihre Schuhe selbst ausziehen. Sie waren komplett am Ende und ich fragte mich: Was machen solche Menschen an so großen Bergen? Er sagte nur: «Es war auf seiner Bucketlist….» da kann ich nichts mehr dagegen sagen – ich bin ja aus demselben Grund hier.
Eine lustige Geschichte ergab sich noch mit einem Träger. Er trocknete seine Socken – oder das, was davon halt noch übrig war – und seine Schuhe vor meinem Zelt. Die Socken waren mehr Loch als Sock… also hab ich einfach ein paar neue Socken von mir genommen und in seine Schuhe gesteckt. Eine Stunde später lagen die neuen Socken auf einem Stein – er hat sie nicht angenommen. Na ja.. ok. Hab es nur gut gemeint.
Zum Abendessen erkannte ich seine Schuhe im Mannschaftszelt und fragte, warum er die neuen Socken nicht annehmen wollte. Es muss doch unangenehm sein, wenn die Socken so große Löcher haben.
Und an der Stelle kommt wieder der nette und liebenswerte Nepalese durch. Er glaubte, jemand hätte den Socken verloren und sie wären nur zufällig in seinen Schuh hineingefallen. Deshalb hat er die neuen Socken wieder hingelegt. Ich bin dann schnell in mein Zelt gelaufen und hab ihm gleich 2 Paar neue Socken geholt und übergeben. Er hat sich irrsinnig darüber gefreut und war sehr dankbar dafür. So sind die Nepalesen, die ich kennengelernt habe. Man muss sie einfach mögen.
Ich hatte aber noch ein Abenteuer vor mir und wir starteten wieder sehr früh los. In der Nacht versuchte es nur ein Team aus Holland und ich mit meinem Bergführer. Die Holländer waren sehr fit und starteten hinter uns. In der Nacht hat es noch geschneit. Normalerweise ging der Aufstieg über einen Mix aus Eis, Geröll und leichten Felsen. Nicht schwierig aber mit den Steigeisen nicht so toll, aber weil es schneite und sehr kalt war, gingen wir auf dem frischen Schnee, was sehr angenehm war.
Das Gelände wurde mit der Zeit schon anspruchsvoller und man ging an Fixseilen hinauf. Teilweise sehr steile Wände aus Felsen und Eis, an denen man sich hinauf hangelte. Es ist vergleichbar mit dem Gelände, das einen am Mt.Everest erwartet, weshalb sehr viele Teams hier aufsteigen, bevor sie zum Mt.Everest gehen.
Es war für mich schöne Kraxlerei – es war zusammen mit der Höhe und der Kälte wohl anspruchsvoll aber nicht zu viel für mich.
Irgendwann waren wir an einem Grat. Es war noch dunkel, aber man konnte zum Mt.Everest hinüber sehen. Man sah in der Ferne die Lichter vom Basislager und einige Stirnlampen, die sich im Khumbueisfall befanden. Es waren die Teams, von denen man in den nächsten Tagen berichtete, wie sie den Gipfel erreichten. Aus der Perspektive sah ich auch das erste mal, wie weit Everest, Nupse und Lhotse aus der Landschaft herausragten und wie groß diese Berge wirklich sind. Von unten aus, ist das nicht so zu erkennen und ich staunte nicht schlecht!
Der weitere Aufstieg ging dann noch über einen kleinen Gletscher, der stark in Bewegung war. Der Bergführer sagte, dass die Spalten, welche vor einem Jahr noch nicht da waren, jede Woche immer größer wurden. Man sah auch viele Fixseile, die weit im Abbruch hingen, wo früher noch ein geschlossener Gletscher war und wo sich die alte Route befand. Kurz vor dem Gipfel mussten wir auch noch über einige Gletscherspalten drüber – diese sind unglaublich tief und selbst wenn man den Sturz überleben würde, wäre man da unten verloren.
Den Gipfel erreichten wir im perfekten Moment. Die Sonne stand schon hoch genug und wir hatten einen perfekten Ausblick über die schönsten Berge der Himalayas. Es gab fast keinen Wind und wir genossen den Moment.
Bald folgten die Holländer, womit wir Platz machen mussten. Der Gipfel ist nur ein kleiner Grat, auf dem höchstens 2-3 Leute stehen können. Wir gaben also den Platz frei und machten uns auf den Rückweg. Im Basislager ruhten wir uns etwas aus uns am Nachmittag kam dann auch schon ein Helikopter, der uns abholte und dazu gibt es auch wieder eine kleine Story…
Ich setzte mich vorne in den Helikopter und normalerweise hat man mit dem Piloten nicht viel zu tun. Außer einem Daumen hoch, wenn es losgeht, lässt man ihn seine Arbeit tun und weil er immer so einen riesigen Helm trägt, merkt man sich die Gesichter von ihnen nicht so gut – schon gar nicht, wenn man nur abgeholt und wo anders wieder abgesetzt wird.
Der Pilot hatte aber ein sehr markantes Gesicht und stieg bei der Landung auch aus, weil er Pause hatte. Ich musste auch auf den Weiterflug warten und dann fragte ich ihn, ob er auch in Argentinien am Aconcagua fliegt. Er freute sich sehr darüber, dass ich ihn das fragte und dann fragte ich ihn, ob er auch an dem Tag flog, als Argentinien die Fußball WM gewonnen hat… er staunte und sagte: Ja… Er war genau der Pilot, der mich damals vom Aconcagua in Argentinien an dem Tag, als Argentinien die WM gewann, aus dem Basislager geflogen hat. Was für ein toller Zufall! Wir lachten herzlich und freuten uns über den Zufall.
Im Warteraum war noch jemand, der mir bekannt vorkam. Eine Dame aus Norwegen mit einer auffälligen Haarpracht. Ich hatte sich schon auf Instagram gesehen und schaute nach. Kristin Harila – die norwegische Bergsteigerin, die in dem Jahr alle 14 Achttausender in 92 Tagen bestiegen hatte. Sie kam gerade vom Mt. Everest und Lhotse zurück und war auf dem Weg zum Makalu. Sie hatte Medien und Kameras bei sich und ich verfolgte ihre Tour ab dann gespannt. Sehr beeindruckend, obwohl sie am letzten Berg, dem K2 noch ordentlich in die Kritik geraten ist. Ich will das nicht beurteilen – die Leistung, die sie erbrachte, war auf jeden Fall enorm.
Für mich ging es dann allerdings weiter nach Kathmandu, wo wir den Abend bei bestem Essen und einem guten Wein ausklingen ließen. Unser Abflug war erst um Mitternacht am nächsten Tag und so chillten wir im Hotel, wo es noch eine Beobachtung gab, die ich kurz erwähnen möchte.
Eine Gruppe Fitness Influencer aus Österreich nistete sich im Dwarika Hotel ein. Man muss wissen, dass es DAS Hotel in Kathmandu ist. Hier nächtigte die Königin von England und viele andere Persönlichkeiten. Es ist ein sehr authentisches Hotel und für nepalesische Verhältnisse auch sehr teuer.
Diese Influencer konnten sich das aber nicht leisten und nutzten die Gutmütigkeit der Nepalesen aus. Sie mussten auch auf denselben Flug warten aber anstelle eines Zimmers zu nehmen, lagerten sie ihren Krempel in der Lobby, packten ihre Kameras aus und machten einen auf dicke Hose. Sie filmten jeden Mist und weil ich mir anschauen wollte, was die machen, fand ich sogar mich selbst in einer ihrer Stories.
Typisches Influencer Verhalten – aber das ist ja noch ok. In deren Instagram habe ich aber gesehen, was diese Wahninnigen in Nepal machten. Sie drehten eine Story, wie sie ein emotionsgeladenes Trekking im Anapurna Gebiet machten, bei dem das Highlight «das höchste Workout der Welt» sein sollte. Diese Narren ließen also eine Gruppe Träger antreten und Hanteln durch die Berge tragen, damit sie auf über 5.000m unter Tränen mit viel Drama ein Workout machen konnten. Man kann das jetzt so oder so sehen… wenn man aber selber vor Ort weiß, was Sache ist, muss man bei so was fremdschämen.
Wir sind ihnen noch am Flughafen begegnet, wo wir sie noch etwas in die Schranken weisen konnten. Sie wollten als große Gruppe mit viel Gepäck am Business Schalter einchecken. Uns war klar, dass die nicht Business fliegen. Sie hatten gerade alle Sachen auf den Schalter gelegt als mein Freund sich hinstellte und fragte, ob sie Business fliegen. Sie schauten erstaunt und einer sagte ganz kleinlaut: «nein».
Mein Freund gab mit einem Handzeichen zu verstehen, dass wir jetzt dran sind und dass sich die die großen Bodybuilder, die in Nepal auf dicke Hose machen wollten, aber nur Economy fliegen, sich gefälligst hintenanzustellen haben. Ich habe mich etwas geschämt, aber innerlich auch gelächelt…. aber das Beste kommt noch.
Beim Zoll gab es kein Priority und so mussten sich alle in die unendlich lange Schlage stellen. So auch unsere Influencer, die hinter mir standen und vermutlich lächelten, weil ich jetzt auch in der Economy Warteschlange stand. Kurz darauf rief einer lautstark durch die Halle: «Mr. Schranz, where are you? Get here – Diplomats can skip the line». – Was habe ich mich geschämt… ich schaute auf den Boden und ging an allen Leuten vorbei. Wissend, dass ich kein Diplomat bin und wahrscheinlich gleich wieder hintenanstehen würde – wie peinlich würde das werden.
Der Zoll öffnete extra einen Schalter für meinen Freund und mich. Der Nepalese schaute kurz und sagte: «You are no Diplomats» und mein Freund sagte ganz selbstbewusst: «We just applied in Nepal for it – we will be Diplomats for Nepal soon» – ich musste mich zusammenreißen, dass ich nicht vor Lachen wegbrach aber der Zöllner nickte und schickte uns durch.
Und so ging ein weiteres großartiges Abenteuer zu Ende. Wir haben viel gelacht, erlebt und gelernt. Ich werde bestimmt bald wieder nach Nepal zurückkommen – nicht zuletzt, weil ich hier noch eine Mission habe, über die ich ein anderes mal schreiben werde… Mission giving.
Ein trauriges Ereignis hatte diese Expedition jedoch auch noch, die uns sehr getroffen hat. Einer unserer Träger, mit dem wir am letzten Tag noch feierten und der noch bei bester Gesundheit war, verstarb zwei Tage später aus unbekannten Gründen auf dem Heimweg zu seiner Frau und seinen 3 Kindern. Er wurde nur 43 Jahre alt. Unser Beileid gilt den Hinterbliebenen. Es ist so traurig, weil wir gerade noch zusammen gelacht und gefeiert haben – alles so perfekt war und sich jeder auf zu Hause und seine Familie freute – und dann passiert so was so unerwartet. Seine Familie wird von einem Fond unterstützt, der für Träger und Bergsteiger eingerichtet wurde, was nur ein kleiner Trost ist aber wenigstens eine kleine Absicherung für die Frau und seine Kinder ist.
Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei Aktivferien in der Schweiz und Nepal. Sie haben meine Sonderwünsche in den Bergen sofort und unkompliziert erfüllt und mir ein großartiges Team zur Seite gestellt.